15 Jun DER NEUE KOSSUTH-PLATZ: REPRÄSENTATIV, GRÜN, WALKABLE

Weder war noch ist er der Platz mit der größten Aufenthaltsqualität in Budapest, aber er ist der wichtigste, meist fotografierte und repräsentativste: direkt vor der 300 Meter langen neogotischen Fassade und der fast 100 Meter hohen Kuppel des Ungarischen Parlaments liegt der Lajos-Kossuth-Platz, benannt nach einem der zentralen Staatsmänner der Märzrevolution von 1848/49.

Er entstand gemeinsam mit dem von Imre Steindl entworfenen Parlamentsbau 1904 und wurde 2014 endlich wieder seiner Bedeutung entsprechend neugestaltet.

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Ab 1972 allerdings, mit der Eröffnung der Metrostation in der südlichen Platzecke, wurde der Verkehr zum dominierenden Platzelement. Der komplett asphaltierte Platz fungierte als Parkplatz, gegenüber dem Metroeingang wurde sogar ein großzügiger Bereich für die Wagen der Abgeordneten abgesperrt. Besucher des Parlamentsbaus mussten Sommer wie Winter im Freien auf Einlass warten. Zudem glaubte jede kurze oder längere Zeitepoche, ihr eigenes Denkmal irgendwo auf dem weiträumigen Areal abstellen und ungeliebte Werke entfernen zu müssen. Auf dem autogerechten Platz entstand also ein buntes Durcheinander der jüngeren ungarischen Geschichtserinnerung, aber kein verständlicher historischer Überblick, geschweige denn ein durchdachtes Ensemble von Kunstobjekten vor dem bedeutendsten öffentlichen Bauwerk des Landes.

Der „walkable“ Kossuth-Platz

Nach einigen misslungenen Starts zur Neugestaltung des etwa sieben Hektar großen Platzes gelang es erst im Rahmen des Imre-Steindl-Programms dem Gebiet eine zeitgenössische Fassung zu verleihen. Den städte- und landschaftsplanerischen Wettbewerb gewannen die Landschaftsplaner von S73 zusammen mit dem Team von Zoltán Tima aus dem Architekturbüro KÖZTI. Das überzeugende Ergebnis ist seit 2014 der Öffentlichkeit – im wahrsten Sinne des Wortes – zugänglich: der Autoverkehr ist komplett verschwunden und stattdessen die wahrscheinliche größte barrierefreie Fläche von Budapest rings um den neogotischen Bau entstanden. Nicht nur der eigentliche Platz vor dem Parlament mit seiner Ausdehnung von 400×150 Meter, sondern auch die zwei kleinen Plätze an der Nord- und Südseite des Parlaments, die zuvor in scheinbarer Vergessenheit vor sich hinschlummerten, sind ohne einen einzigen Höhenunterschied erschließbar.

Der „Hauptplatz“ übernimmt nunmehr eine klar repräsentative Rolle: vor der hellen Kalksteinfassade des Haupteingangs liegt der dunkel gepflasterte Platz, der seinen Abschluss mit einer länglichen Wasserfläche und der Landesflagge findet. Seitlich des Haupteingangs rahmen jedoch Rasen- und Grünflächen den steinernen Platz, zwischen denen großzügige Wege die Spaziergänger lenken. Der in den vorangegangenen Jahrzehnten abgestellte historische Erinnerungsmix findet sich nun wohl geordnet unter dem Platz wieder. Die Zugänge zur Steinsammlung und zum Erinnerungsort an den 1956-er Volksaufstand fügen sich zurückhaltend in die den Platz durchquerenden Schneisen ein.

Cafés geöffnet, das neue Denkmal noch nicht

Die beiden „Nebenplätze“ übernehmen die Aufgabe des Verweilens und Ausruhens. Aufgrund ihrer kleineren Ausdehnung und der direkten Nachbarschaft zum Fluss ergibt sich diese Funktion nahezu unvermeidlich. Auch hier, am nördlichen „Nebenplatz“ wurde das bewusst zeitgenössisch gestaltete Besucherzentrum unterirdisch angelegt, um das Areal so „walkable“ wie möglich zu gestalten.

Vielleicht stimmt also die Eingangsbehauptung gar nicht mehr und die Qualität des Aufenthalts an diesem Ort ist besser, als man noch vor sechs Jahren dachte. Jedenfalls öffnen immer mehr Cafés an den Platzseiten. Und noch bevor das zentrale Denkmal zur Erinnerung an den Vertrag von Trianon, positioniert in Verlängerung der Parlamentskuppel und ebenfalls in den Untergrund führend, im Juni 2020, also noch zu Corona-Beschränkungszeiten, eingeweiht werden konnte, stehen die Stühle des Café Madals direkt neben dem Denkmal auf der neu gepflasterten Alkotmány Straße.

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