06 Jun BUDAPESTS LIEGENDER WOLKENKRATZER

Schon seit längerem gilt die Váci út – die große Ausfallstraße zum barocken Vác im Norden Budapests – als eine der Topadressen der ungarischen Hauptstadt. Im Einzugsbereich der parallel zur Donau verlaufenden Magistrale lagen bis zur politischen Zeitenwende 1990 zahlreiche Werke und Fabriken, von denen allerdings kaum eine den wirtschaftlichen Neuanfang schaffte. Viele Industriebrachen entstanden, aber es blieb eine mit der Metrolinie 3 hervorragend erschlossene Gegend, es blieben die über 120.000 Einwohner des XIII. Bezirks, den die Straße durchquert, und es blieben nicht wenige Orte, die Ansatzpunkte für größere Entwicklungen boten. Zum Beispiel der Westbahnhof am Beginn der Straße, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft 2000 mit dem WestEnd das größte Einkaufszentrum der Stadt eröffnete, entworfen vom Büro Finta. Auch die zwei Jahre später eingeweihte Lehelmarkthalle von László Rajk trug dazu bei, dass der südliche Abschnitt der Váci út relativ schnell eine neue Funktion fand.

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Fintas Bauten säumen die Magistrale

Die wichtige Kreuzung mit der Dózsa György út wird beziehungsweise wurde von den städtischen Elektro- und Wasserwerken geprägt, heute präsentiert sich die Kreuzung als exklusiver Bürostandort mit hochwertiger Bürohausarchitektur, darunter übrigens auch aus dem Hause des bereits erwähnten Büros um József Finta. Weiter nördlich, an der Metrostation Gyöngyösi utca, eröffnete bereits 1996 auf altem Industriegelände das Duna Plaza, Ungarns erste Shopping Mall amerikanischen Typs. In ihrem Hinterland, zum attraktiven Donauufer, konnte sich trotz vorliegender Bebauungspläne noch immer kein modernes, zeitgemäßes Wohnviertel etablieren, lediglich einzelne, sich abschottende Entwicklungsprojekte ohne jegliche Phantasie für die Toplage sind entstanden.

Im „Schwerpunkt“ der Váci út, gewissermaßen in ihrer geometrischen Mitte, liegt die Kreuzung mit dem Budapester Außenring, dort, wo sich Metrolinie 3 und Tramlinie 1 treffen, wo seit 1997 die Glastürme der Polizeizentrale stehen, dessen Entwurf ebenfalls aus dem Hause Finta Studio stammt.

AGORA an der Árpádbrücke

Direkt gegenüber wird 2020 der erste Abschnitt der AGORA Budapest fertig. Federführend bei der Umsetzung des Megaprojekts: Finta Studio. Das Konzept der Bürostadt hatte allerdings MAKE Architects aus London geliefert: zur stark befahrenen Kreuzung verdichtet sich die Baumasse mit vier zusammengeschobenen, schlanken Türmen – ein geglückter Designakt, dürfen die Türmchen hier doch lediglich 16 Stockwerke in Budapests Himmel ragen, denn 60 Meter gilt als das Höchstmögliche innerhalb des Außenrings. Weitere Türme, die dank ihrer vertikalen Gliederung als solche erkennbar sein werden, folgen im zweiten Bauabschnitt bis 2023 in Richtung Árpádbrücke. Die restliche Bebauung nimmt den Maßstab der Umgebung auf, umrahmt jedoch die zentrale Agora, was den Hauptgewinn des reinen Büroviertels darstellen wird: einen öffentlichen Platz abgeschirmt vom Lärm der nahen Magistrale und Ringstraße.

So bekommt also die Váci út, von manchen auch „Liegender Wolkenkratzer“ genannt, nach zwei Megaeinkaufszentren und den phantastischen Váci Greens etwas weiter nördlich – mit 130.000 qm Nutzfläche genauso groß, wie das AGORA-Areal –, mit der Bürocity nach angelsächsischem Vorbild einen weiteren modernen Baustein. Dreißig Jahre nach dem Fall das Eisernen Vorhangs zieht vielleicht ein bisschen London Feeling an die Váci út. Hauptnutzer des Turms wird jedenfalls eine Bank sein.

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